Zwischen Barnaby und Sherlock
Der zweite "Inspektor Jury"-Film mit einem europäischen Ensemble
Letztes Jahr gab es mit "Der Tote im Pub" die erste
Verfilmung eines "Inspektor Jury"-Romans von Martha Grimes. Und weil
dieser in England gedrehte Film sowohl bei der Premiere im Berliner
Zoo-Palast in Anwesenheit von Marthe Grimes gut ankam, als auch bei der
Erstausstrahlung im ZDF erfolgreich war, gibt es nun den zweiten
"Jury"-Film "Mord im Nebel". Diesmal wurde jedoch in Irland gedreht.
Diese Koproduktion war und ist ohnehin eine internationale
Angelegenheit: Die Roman-Autorin ist Amerikanerin, Drehbuchautor,
Produzent und Regisseur sind Deutsche, der Koproduzent ist Österreicher,
der Ort der Handlung England, der Drehort Irland und die am Film
Beteiligten waren eine deutsch-österreichisch-englisch-irische
Gemeinschaft. Also wahrlich eine europäische Koproduktion!
Martha Grimes schreibt seit über 30 Jahren
klassische Kriminalromane und hat sich insbesondere in Deutschland eine
Fangemeinde erobert. Britische Krimis haben seit den Edgar
Wallace-Filmen der 1960er-Jahre Tradition im deutschen Fernsehen.
Zwischen dem eher konservativen Erzählstil von "Inspektor Barnaby" und
der modern-stylischen Umsetzung von "Sherlock Holmes" gibt es nun eine
offene Spielwiese für den melancholisch verwundeten Einzelgänger Richard
Jury, seinen hypochondrischen Assistenten Sergeant Wiggins, seinen
amüsanten, adligen Freund Melrose Plant und dessen beharrlich
schrullig-scheiternde Tante Agatha. Auch dieser zweite "Jury"-Film lebt
von mysteriösen Morden in einem malerischen Mikrokosmos und dem
trockenen, etwas schrägen Humor - aber vor allem von den schillernden,
eigenwilligen Charakteren.
Der Drehbuchautor Günther Knarr hat in seiner
konzentrierten Adaption in den Dialogen wieder den leichten,
einfühlsamen Ton Jurys gut getroffen und die schwierige Balance zwischen
der Tragik von Kindermorden und der Ironie eines Melrose und der Komik
eines Wiggins gehalten. Der Regisseur Florian Kern hat an wunderschönen
Schauplätzen rund um Dublin den Akzent auf die intuitive und ernsthafte
Ermittlungsarbeit der Hauptfigur gesetzt. Dennoch grenzt sich dieser
unterhaltsame 'Krimi light' von den düsteren skandinavischen
Psychodramen ab. Die eingängige und emotionale Musik von Marcel Barsotti
unterstützt wieder die stimmigen und stimmungsvollen Bilder von Gerhard
Schirlo.
Dass "Inspektor Jury" in erster Linie ein
Schauspielerfilm bleibt, bezeugen allen voran Fritz Karl und Götz
Schubert. Fritz Karl wirkt hier noch persönlicher, vielschichtiger. Er
ist Inspektor Jury. Und Götz Schubert findet für seinen durch und durch
britischen Melrose Plant mit Ironie und Intellekt einen interessanten,
bezwingenden Weg. Katharina Thalbach mit ihrer umwerfenden Spielfreude,
der heitere Arndt Schwering-Sohnrey, der souverän agierende Marc Ben
Puch und die nur scheinbar unscheinbare Cornelia Ivancan - die mit ihren
Abgründen überzeugend auftrumpft - stehen den beiden nicht nach.
Zusammen mit den wunderbaren irischen Kollegen, wie zum Beispiel Aaron
Monaghan als unschuldig geschlagener, stolz bei sich bleibender Sam
Waterhouse und dem Bilderbuch-Engländer John Harding, kreiert dieses
europäische Ensemble eine dem Roman entsprechende eigene Welt.
Dieser zweite "Jury"-Film "Mord im Nebel" mag
weniger komödiantisch sein als der erste, aber er ist ein emotionaler,
spannender Who-done-it-Krimi, der von der Attraktion und Atmosphäre
Irlands und vor allem durch die tollen Schauspieler lebt. Und so belebt
er diese junge Reihe auf seine spezifische Weise und dafür ist allen
Beteiligten zu danken.
Pit Rampelt, Redaktion Fernsehfilm I